Essen, Fahren, Wohnen und Fliegen sind Praktiken, die hier und heute häufig mit dem (oder einem) Freiheitsbegriff verbunden werden. Da sie unter dem Strich in der heutigen Form nicht nachhaltig sind, sind Veränderungen ebenso notwendig wie umstritten. Wie könnten die Praktiken in einer postkarbonen Zukunft aussehen und welche alten oder neuen Ideen von Freiheit könnten eine Rolle spielen?
Im letzten Jahr verband das Projekt ‘Zukünftige Freiheiten’ Theorie, kreative Praxis und den Austausch mit Interessierten im Stuttgarter Hospitalviertel.
An einem Seminar von Uni Stuttgart und PH Ludwigsburg konnte ich als Gasthörer teilnehmen, hier ging es um theoretische Positionen und Freiheitsbegriffe von John Locke bis Eva von Redecker - auch als ein ergänzender Input für Studierende der Merz Akademie Hochschule für Gestaltung, Kunst und Medien (Stuttgart), die mit eigenen Recherchen und Ideen eine Reihe von Kurzfilmprojekten in Angriff nahmen.
Mit dem vorgegebenen Untertitel ‘Reportagen aus der postkarbonen Gesellschaft des Jahres 2049’ wurde eine erfolgreiche Transformation gesetzt, die Erreichbarkeit des Vielen utopisch erscheinenden Zustands durch das Reportageformat noch einmal betont.
Utopische Werke der Vergangenheit werden häufig vor allem als interessante Spiegel ihrer Entstehungszeit betrachtet. Hier erfreuten eingeladene Expert*innen und Publikum sich bei den Premieren an den kreativen Einfällen und den beiläufig bis nachdrücklich eingebauten Diskussionsanregungen. Gemeinsam mit den Filmemacher*innen reflektierten sie aber auch, dass bei der Entstehung der momentane Stand der Dinge durchaus stark beeinflusste, was dem zukünftigen Wir mit dem Freifahrtschein des Fiktiven angedichtet wurde und was (noch) nicht.
Im autogerechten Stuttgart drängt es sich nicht auf, eine Utopie der Mobilität ‘on location’ zu inszenieren. Die Gesprächsszene im Wohnzimmer bleibt dann aber auch gleich beeindruckend konsequent in der Gegenwart und lotet - durchschnitten von Verkehrstotalen - aus, ob Veränderung selbst unter jungen Leuten denk- und besprechbar ist, anstatt happy people der Zukunft erzählen zu lassen, was geschafft wurde. Am Esstisch kochen immernoch die Emotionen hoch. Beim Thema Fliegen werden mögliche Erfolge der Dekarbonisierung mit einer Verschärfung gegenwärtiger Ungleichheit kontrastiert.
“Es hat sich gezeigt: Wir müssen uns tagtäglich Gedanken machen, wie wir jetzt leben können, um etwas für den Klimaschutz zu tun und den Switch des Mindsets hinzubekommen. Unsere pessimistische Grundeinstellung, die auch in den Film eingeflossen ist, wollen wir allerdings nach diesem Prozess nicht mehr weitertragen.” (aus dem Abschluss-Clip)
Für den gesamtgesellschaftlichen Prozess ist es toll, wenn junge Menschen diese Themen nicht verdrängen und sie mit Neugier, Humor, Perspektivenvielfalt und Geschick in Geschichten durchspielen - aber seht selbst! Mein Punkt: Wir alle sollten eine Kultur etablieren, die solchen Zukunftsentwürfen Schub verleiht!
Welche Gedanken und Gefühle regen die Filme bei euch an? Wie sieht euer persönlicher ‘Rückblick, Anblick, Ausblick’ auf diese Praktiken aus?
Auf der Projektseite findet sich u. a. auch ein Booklet, das ein paar Informationen zu anderen Veranstaltungen des Projekts enthält und zu den Diskussionen (dazu auch auf der Projektseite jeweils unter ‘Rückschau’).